Interview über Österreichs Handel: Stefan Kern, CEO wirecube und Florian Burgstaller, CEO shopreme
Interview über Österreichs Handel: Stefan Kern, CEO wirecube und Florian Burgstaller, CEO shopreme

28.10.2025

Der Handel muss aufholen: Wo Österreichs Handel jetzt Tempo machen muss

*Originalartikel im Standard, 28.10.2025

Österreichs Handelsunternehmen stehen vor einer klaren Aufgabe: Filialen so zu organisieren, dass sie trotz angespannter Personalsituation auch in Zukunft wettbewerbsfähige Preise und innovativen Service bieten können. Während Skandinavien, Frankreich oder Deutschland mit nahtlosen Einkaufserlebnissen, Treueprogrammen und automatisierten Prozessen punkten, hinkt Österreich vielerorts hinterher. Das kostet Zeit, Geld und mitunter KundInnen.

Der Druck auf den österreichischen Handel nimmt weiter zu. Wer heute durch heimische Filialen geht, erlebt zwei Realitäten: lange Kassenschlangen und Prozesse aus der Vordigitalzeit.

Kosten runter, Komplexität raus

Ein internationaler Vergleich zeigt: Dort, wo Filialprozesse durchgängig digital gedacht werden, steigen Produktivität und Kundenzufriedenheit messbar. Der Hebel liegt dabei im Store, also genau dort, wo Margen entscheidend sind: Warenannahme, Regalservice, Inventur, Diebstahlprävention, Checkout.

So werden Preisspielräume möglich, während die Belegschaft für wertschöpfende Tätigkeiten freigespielt wird. Kurz gesagt: Optimierung ist zur Kernkompetenz geworden. Wer jetzt in durchgängige Prozesse investiert, kann den Spagat aus Preisdruck, Personaleinsatz und Kundenerlebnis meistern und sich im internationalen Vergleich positionieren.

Personalmangel im Fokus

Die Personalsituation verschärft den Handlungsdruck. FilialleiterInnen jonglieren Dienstpläne, während qualifizierte Kräfte knapp sind. Gleichzeitig braucht die Fläche mehr Präsenz dort, wo Kundennähe Wert schafft:

Statt Kassenplätze durchgehend zu besetzen, braucht es mehr Präsenz in Bereichen wie dem Regalservice oder dem Frischebereich. Automatisierte Prozesse, smarte Preisetiketten, digitale Inventur und Self-Checkout entlasten Teams dort, wo Minuten zählen.

Der letzte Meter wird digital

Internationale HändlerInnen machen es vor: Ein Paradigmenwechsel betrifft den Abschluss des Einkaufs. Die Kasse wird zur Funktion, nicht mehr zum fixen Ort. Klassische Kassenzonen lösen sich auf. Bezahlvorgänge wandern ins Smartphone oder direkt an den (intelligenten) Einkaufswagen („PIN on Glass“ mittels NFC). So entstehen komfortable Optionen (Produkte selbst scannen, Rabatte einlösen und bezahlen), wodurch ein erneutes Abladen am Kassenband entfällt. Dies entlastet Kassenzonen, spart wertvolle Fläche und sorgt für Planbarkeit in Stoßzeiten.

shopreme snap cart smart shopping cart

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Österreichs Preisniveau im Blick

Daneben bleibt der Preis das stärkste Signal am Markt. Nach Jahren spürbarer Teuerung achten KonsumentInnen genauer denn je auf Aktionen, Warenkorbwert und Fairness.

Wer die Kostenkurve nicht in den Griff bekommt, verliert Spielraum für attraktive Preispunkte. Genau hier greift die Verbindung aus Prozess- und Checkout-Innovation: Je nahtloser Prozesse ineinandergreifen, desto eher lassen sich Preise wettbewerbsfähig halten.

Beidseitige Transparenz

Transparenz zahlt damit unmittelbar auf Vertrauen ein: Wenn der aktuelle Warenkorb, Rabatte und Treuevorteile in Echtzeit angezeigt werden, entscheiden KundInnen bewusster, lösen Rabatte direkt ein und vergrößern oft sogar ihren Warenkorb, da keine „Angstreserve“ mehr nötig ist.

Gleichzeitig wird Schwund adressiert: Intelligente Software kann im Hintergrund risikobasiert prüfen, ob Artikel und Bewegungsmuster zusammenpassen, und setzt auf gezielte Stichproben statt randomisierter Methoden.

Das Resultat: Weniger Personaleingriffe sparen Zeit, während Schwund verhindert und das Einkaufserlebnis verbessert wird.

Jetzt zählt Tempo: Prozesse straffen, Kassenzonen entlasten und Daten nutzen, damit Österreichs Handel den Anschluss nicht verliert.

Wie lässt sich der digitale Wandel koordinieren? Tech-Experte wirecube über gelingende Transformation

Wer Filialen steuert, kennt die Engpässe: gewachsene Systemlandschaften, Digitalisierung von Treueprogrammen, Insellösungen und zu wenig Zeit, all das sauber zu verzahnen. Gleichzeitig erwarten KundInnen heute Omnichannel ohne Bruch: konsistente Preise und Services sowie digitale Schnittstellen zwischen Filialen und Apps.

Stefan Kern, CEO wirecube & Florian Burgstaller, CEO shopreme

Perspektiven aus Projekten

„Viele HändlerInnen sind operativ stark, aber technologisch noch zu wenig integriert“, sagt Stefan Kern, CEO der Grazer wirecube GmbH.

Kern identifiziert drei wiederkehrende Muster: Erstens sind viele Prozesse im österreichischen Handelsumfeld veraltet. Zweitens laufen entscheidende Prozesse häufig außerhalb eines gemeinsamen Datenmodells ab. Und drittens fehlen klare Schnittstellen, an denen Systeme zuverlässig andocken können. Sein Fazit: „Technik löst Probleme nur, wenn sie in den Betrieb passt.“

Zur viel diskutierten Frage KI oder klassische Digitalisierung bleibt Kern realistisch:

„Wir setzen ein, was wirkt. Manchmal ist das KI, oft aber saubere Integration, Automatisierung oder klare Prozessführung. Die Wahl der Methode ist zweitrangig, entscheidend ist der Nutzen auf der Fläche.“

Ein Beispiel aus einem laufenden Projekt mit einem der drei führenden norddeutschen Drogisten zeigt, wie eine zentrale Cloud-Plattform erstmals alle Datenquellen – ERP, Treueprogramme, Kundendaten, Angebote und Coupons – in einem System vereint.

Für die EndkundInnen entstehen dadurch neue Erlebnisse: personalisierte Angebote, konsistente Services in App und Filiale sowie ein reibungsloser Zugang zu Aktionen und Coupons. Gleichzeitig öffnet die Plattform den Weg in eine Zukunft, in der HändlerInnen ihr Geschäft datengetrieben steuern und innovative Services viel schneller auf die Fläche bringen können.

Personal entlasten, Systeme zusammenführen

Der Weg nach vorn ist klar: HändlerInnen müssen digitaler werden: Nicht als Selbstzweck, sondern um Kosten zu stabilisieren und Service zu halten. wirecube unterstützt hier auf Strategie- und Integrationsseite.

Der anschließende Schritt führt nahtlos zum Problem der überlasteten Kassenzonen: shopreme, Erfolgsspin-off von wirecube, verfolgt in diesem Bereich einen Ökosystem-Ansatz, bei dem Scan & Go, intelligente Einkaufswagen und mehr direkt an existierende Systeme angedockt und on- und offline vollständig miteinander integriert werden. Genau die Art von Architektur, die Insellösungen ersetzt und im nächsten Abschnitt im Fokus steht.

Brennpunkt Kassa: Self-Checkout als Entlastung

„Wir hören immer wieder die Sorge, Self-Checkout und KI würden Personal im Handel ersetzen.“, sagt Florian Burgstaller, CEO von shopreme, dem weltweit führenden Unternehmen für Scan & Go Technologie aus Graz.

Entlastung statt Personalabbau

„In der Praxis erleben wir das Gegenteil: Durch Europas Personalmangel im Handel werden Teams an der Front entlastet und gewinnen Zeit für Beratung, Frische und Verfügbarkeit. KI unterstützt dabei vor allem beim Thema Schwundprävention.”

Self-Checkout, ob Self-Scanning am Smartphone oder am Smart Cart mit integriertem Tablet, verlagert den Bezahlvorgang direkt in den Einkaufsfluss. Schlange stehen wird zur Ausnahme und Stoßzeiten lassen sich glätten, ohne zusätzliche Kassenplätze zu besetzen.

shopreme mobile Scan & Go App

Österreich im Vergleich: Integration hilft auch den Preisen.

“Wir arbeiten mit HändlerInnen weltweit und erzielen eine Exportquote von über 80%. Aus diesen Projekten wissen wir, dass integrierte Checkout- und Datenprozesse positiv auf die Kostenkurve wirken.”

Neben Personalentlastung spart Self-Checkout wertvolle Fläche ein und integriert intelligente Schwundprävention. Umfassend gedachte Betriebsmodelle sparen darüber hinaus strukturell Kosten: Spielräume, die sich in wettbewerbsfähigeren Preisen niederschlagen.

Personalisierung direkt am Point of Sale polstert die Marge zusätzlich. Effekte, die gerade in Phasen erhöhter Lebensmittelpreise relevant sind.

“Produktplatzierungen am Wagen-Display oder am Smartphone erscheinen direkt im Moment der Kaufentscheidung, sind über POS-Daten messbar und schaffen neue Erlösströme.”

Wenn Technologie Arbeitsschritte verkürzt, Verluste reduziert und Zusatzumsätze durch Retail Media Produktplatzierungen generiert, dann stabilisiert sich auch das Preisniveau. Und das nicht nur theoretisch, sondern in der Praxis.

Laut Burgstaller zählen für HändlerInnen die flächige Entlastung der Kassenzonen und die zusätzlichen Erlöse durch Retail Media auf den großen Bildschirmen.

Smart Carts liefern messbare Effekte auf Durchsatz und Marge, während KundInnen direkt im Geschäft einen persönlichen Shopping-Assistenten erhalten“.

Fazit:

Ob Österreichs Händler bereit sind, alte Strukturen hinter sich zu lassen und Prozesse neu zu denken, entscheidet über mehr als Effizienz: Es entscheidet über ihre Wettbewerbsfähigkeit.




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